Situation
Die chinesische Wirtschaft hat sich seit der Reform- und Öffnungspolitik 改革开放 1978 epochal entwickelt. Aber ist dies immer noch so? Das folgende Chart zeigt das jährliche Wachstum des Bruttoinlandsproduktes seit 1979.
Die Daten für die Jahre mit 2022 sind aus dem China Statistical Yearbook 2023, für das Jahr 2023 aus den Annual Data des National Bureau of Statistics of China und für das Jahr 2024 prognostiziere ich ein Wachstum von 4,8% basierend auf dem Wachstum in den ersten neun Monaten. Ich verwende die chinesische Währung Renminbi 人民币 bzw. Yuan 元 statt US-Dollar oder Euro, um so Verzerrungen durch Wechselkursschwankungen zu vermeiden. Ebenfalls verzichte ich hier auf das relative Wachstum in Prozent.
Die aufbereiteten Daten für die letzten drei Generalsekretäre der Kommunistischen Partei Chinas zeigen, dass die bisherige Amtszeit von Xi Jinping den höchsten Mittelwert des jährlichen Wachstum des Bruttoinlandproduktes (in 100 Millionen Renminbi current prices) aufweist:
Jiang Zemin 江泽民 (24.06.1989 - 15.11.2002): ¥7.610
Hu Jintao 胡锦涛 (15.11.2002 - 14.11.2012): ¥41.686
Xi Jinping 习近平 (15.11.2012 - heute): ¥65.209.1
Das Wachstum hat sich unter Xi beschleunigt, und 8 der 10 wachstumsstärktsten Jahre fallen in seine Amtszeit. Nachfolgend die obigen Daten aus dem erstem Chart für Xis Amtszeit.
Und eine Darstellung des kumulierten Bruttoinlandproduktes seit 1978.
Kontext
Donald Trump hat als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika im Januar 2018 einen neuen Wirtschaftskrieg gegen China begonnen. Dieser Wirtschaftskrieg wurde während der Amtszeit Bidens erheblich verschärft.
Neben dem Wirtschaftskrieg entstand im Zuge der COVID-19-Pandemie die Corona-Wirtschaftskrise.
Beide Ereignisse hatten und haben einen negativen Einfluss auf das weltweite Wirtschaftswachstum. In diesem sehr schwierigen Umfeld hat sich Chinas Wirtschaft dennoch besser entwickelt als in den Jahren unter Jiang Zemin oder Hu Jintao.
Es war auch die Führung von Hu Jintao und Wen Jiabao 温家宝, die sich vom “Wachstum um jeden Preis” verabschiedete:
“Die Nachfolger Jiang Zemins und Zhu Rongjs, die 2002/03 eingesetzt wurden, setzten aber nicht länger auf Wachstum um jeden Preis, sondern schwenkten auf einen Kurs des kontrollierten Wachstums um, um den Schattenseiten der bisherigen Entwicklung — steigende soziale Ungleichheit und eine desolate Umweltsituation — entgegenzuwirken. Diese vierte Führungsgeneration wurde von Hu Jintao als Parteichef (2002-2012) und Präsident (2003-2013) sowie von Wen Jiabao als Ministerpräsident (2003-2013) geleitet.”2
Dies wurde von Xi weitergeführt und ausgebaut.3 China hat begonnen, sein Wachstumsmodell hin zu einem qualitativen Wachstum zu ändern und tut dies in einem sehr schwierigen Umfeld mit den Ereignissen US-Wirtschaftskrieg und Pandemie.
Kontrast
Deutschlands Wirtschaft ist in einem weit schlechteren Zustand. Das Statistische Bundesamt schreibt:
Zu Beginn der zweiten Jahreshälfte lag die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands im internationalen Vergleich leicht unterhalb des europäischen Durchschnitts: In der Europäischen Union (EU) insgesamt legte die Wirtschaftsleistung im 3. Quartal 2024 im Vergleich zum Vorquartal mit +0,3 % etwas stärker zu als in Deutschland (+0,1 %). Innerhalb der anderen großen Mitgliedstaaten der EU stieg das preis-, saison- und kalenderbereinigte BIP in Spanien mit +0,8 % am stärksten. In Frankreich wuchs die Wirtschaftsleistung um 0,4 %, während sie in Italien im Vergleich zum Vorquartal stagnierte (0,0 %). In den USA war die wirtschaftliche Entwicklung mit +0,7 % zum Vorquartal deutlich besser als in der EU. Im preis-, saison- und kalenderbereinigten Vorjahresvergleich lag Deutschland mit ‑0,3 % deutlich unterhalb der Entwicklung in der EU (+1,0 %).4
Die Deutsche Bundesregierung erwartet einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukt für 2024: “Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte 2024 real, also preisbereinigt, um 0,2 Prozent zurückgehen”.5 Dies würde bedeuten, dass Deutschland in den letzten fünf Jahren dreimal ein negatives Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts aufweist.

Deutschland kommt durch seine Wirtschaftstransformation und die schwierige Weltlage weit schlechter durch als China. Deutschlands Schwäche wirkt sich entsprechend negativ auf Chinas Wirtschaft aus.
Fragen
Warum wird in deutschen und allgemeiner in westlichen Medien primär negativ über Chinas Wirtschaft geschrieben, wenn sie doch ein starkes Wachstum aufweist?
Liegt dies daran, dass frühere Prognosen internationaler Institute eine noch positivere Entwicklung annahmen?
Wird die USA unter Trump den Wirtschaftskrieg gegen China weiter verschärfen?
Anmerkungen & Quellen
Für die Berechnung des Mittelwertes wurden für Jiang die Jahre 1989-2002 verwendet, für Hu 2003-2012 und für Xi 2023-2024.
Spakowski, Nicola (2022): China seit 1978: Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Verlag W. Kohlhammer, S. 32. Eigene Hervorhebungen.
Dunford, Michael (2022): The Chinese Path to Common Prosperity, in: International Critical Thought 12:1, S. 35: “The result [of economic development after 1979] was extraordinary sustained economic growth but at the expense of large increases in urban-rural, regional and social inequalities in income and wealth themselves associated with the growth of private capital. In 1999 China started to address urban-rural and regional disparities in the name of common prosperity, while under the leadership of Xi Jinping the emphasis on common prosperity has increased markedly.” Meine Hervorhebung.
Statistisches Bundesamt (22.11.2024): Bruttoinlandsprodukt: Ausführliche Ergebnisse zur Wirtschaftsleistung im 3. Quartal 2024, Pressemitteilung Nr. 438
Die Bundesregierung (09.10.2024): Wachstumsschwäche entschlossen entgegentreten
Für 2024 prognostizierte ich ein Wachstum von 4,8%, tatsächlich war es jedoch höher: Chinas Wirtschaft wuchs im Jahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 5% auf 134,9 Billionen Yuan (18,77 Billionen US-Dollar), erreichte damit das Wachstumsziel und überschritt zum ersten Mal die 130-Billionen-Yuan-Marke, wie die am Freitag von der Nationalen Statistikbehörde veröffentlichten Daten zeigen.